Wie kaum ein anderer kennt Christian Setzepfandt die tragische Geschichte der Frankfurter Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt – deren Spuren seine Stadtführungen folgen.
Stadtführung „Straße des Lebens – Rosemarie
Nitribitt“ mit Christian Setzepfandt
Termin: Sonntag, 21.12. um 14 Uhr
Dauer: zwei Std. Treffpunkt: Vor dem Hauptbahnhof Frankfurt (Endpunkt in der
Stiftstraße nahe Hauptwache) Teilnahmegebühr: 10 Euro pro Person
Information und Anmeldung: Tel.: 069 - 961 220 –223 (Mo 13-18 Uhr, Di-Mi
10-15 Uhr, Do 13-18 Uhr)
museumspaedagogik@deutsches-filminstitut.de
Interview mit Christian Setzepfandt
Was macht – mehr als 50 Jahre später – das ungebrochene
Interesse an dem Fall aus?
Medien und Publikum interessieren sich für die aufregende Mischung aus
Skandal, Sexualität, ungeklärtem Verbrechen und Mythos. Faszinierend
wirkt auch heute noch die Verruchtheit der Nitribitt, die aus ganz einfachen
Verhältnissen stammte, mit ihren Dienstleistungen gutes Geld verdiente
und es in die deutsche High Society schaffte. Und natürlich die fünf
Verfilmungen des Stoffes.
Was zeichnet die Verfilmung Das Mädchen Rosemarie aus?
Sie nimmt die Atmosphäre der fünfziger Jahre an und greift die Verbindungen
in Gesellschaft und Politik auf großartige Weise auf. Dabei belässt
es der Film gekonnt, aber effektiv, bei Vermutungen. Es lohnt übrigens
auch, eine weitere zeitgenössische Verfilmung zu sehen, die genauer auf
die Chronologie des Falle eingeht: Die Wahrheit über Rosemarie (1959).
Rosemarie Nitribitt ist zweifellos die bekannteste Prostituierte der Bundesrepublik
gewesen. Was machte sie besonders?
Sie nahm auch als Prostituierte ihr Leben selbst in die Hand und ließ sich
nicht – wie in dem Gewerbe üblich – von Männern fremd
bestimmen. Ihre bürgerliche und damenhafte Erscheinung unterschied sie
zudem. „Sie hatte gar nichts Nuttiges“, schrieb eine Frankfurter
Journalistin. Das Verruchte spürte man dennoch. Und: Was sie an Sexualität
versprach, hat sie auch eingehalten.
Es wirkt, als habe Rosemarie Nitribitt ihre Karriere gezielt entwickelt.
Sie arbeitete nicht nur im damenhaften Auftreten konsequent an sich, sie nahm
auch Französisch-Unterricht und machte eine Mannequin-Schulung. Ihre
Mannequin-
Karte, die sie anfertigen ließ, wirkt eher wie die Set-Karte einer Schauspielerin.
Konkretes über etwaige Schauspiel-Pläne sind aber nicht bekannt.
Zur Zeit Rosemaries war Frankfurt noch nicht „Mainhattan“. Was
ist von den historischen Schauplätzen erhalten?
Erstaunlich viel: Angefangen vom Hauptbahnhof über die ersten Hotels und
Bordelle, in denen sie angeschafft hat, bis zu den Häusern des Juweliers
oder Metzgers, die in dem Fall wichtige Rollen spielen. Auch der Frankfurter
Hof und die Mercedes- Benz-Niederlassung am Kaiserplatz. Und natürlich
das typische 1950er-Jahre-Appartmenthaus am Eschersheimer Turm: Man sieht von
unten das Fenster ihrer Wohnung, in dem sie am Tag des Mordes zum letzten Mal
fotografiert wurde. Das Gebäude gegenüber der Frankfurter Rundschau,
von dem aus Fotograf Kurt Weiner das bekannte Bild machte, musste einem Hochhaus-
Projekt weichen.
Seit Jahren recherchieren Sie für die Führungen.
Ist irgendwann einmal alles dazu gesagt?
In einer zweistündigen Führung kann man nicht alles erzählen,
deshalb setze ich je nach Gruppe und Interessen unterschiedliche Schwerpunkte.
Ich bekomme immer noch neue Informationen aus Gesprächen mit Zeitzeugen,
von denen nur noch wenige leben. Im vergangenen Jahr führte ich beispielsweise
ein interessantes Gespräch mit dem mittlerweile verstorbenen Leiter der
Mordkommission. Die unglaublichen Pannen bei den Ermittlungen liefern viel
Stoff für Anekdoten.
Ist es also zu früh, um sich mit der ungeklärten Fragen nach dem
Mörder – oder vielleicht einer Mörderin – zufriedenzugeben?
Vielleicht tauchen in Briefen oder Nachlässen noch neue Hinweise auf.
Man kann gespannt bleiben.
Das Interview führte Horst Martin.
Zur Galerieausstellung ALLES ÜBER ROSEMARIE
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